20.03.10

Auf der Zielgeraden

Prozeß um Taximord vor dem Abschluß

Das Verfahren gegen einen 20-jÀhrigen Mann aus der Wesermarsch, dem vor dem Landgericht Oldenburg Mord an einem Taxifahrer und Mordversuch an einer Taxifahrerin vorgeworfen werden, nÀhert sich dem Ende.

Die ursprĂŒnglich sieben Verhandlungstage sind inzwischen aufgestockt worden. Am kommenden Dienstag will das Gericht die psychiatrische SachverstĂ€ndige und den Jugendgerichtshelfer zu Wort kommen lassen. Da einige Spuren im Vorfeld nicht hinreichend genug verfolgt worden waren, ist auch die Vernehmung weiterer Zeugen denkbar.

FĂŒr den Donnerstag hat das Landgericht eine weitere Sitzung angesetzt. Sollten die Vorarbeiten bis dahin abgeschlossen worden sein, könnten an dem Tag die PlĂ€doyers gehalten werden. Nach Informationen des Gerichtssprechers ist es derzeit noch nicht absehbar, ob das Urteil noch am selben Tag verkĂŒndet wird.

Habgier

Bei der ersten Vernehmung nach der Festnahme habe der Angeklagte einen traurigen, depressiven Eindruck gemacht, erklĂ€rte der durchfĂŒhrende Polizist wĂ€hrend der Verhandlung am Freitag. Er habe sich seit langem als Versager gefĂŒhlt, sei zu wenig gelobt worden, und in der Ausbildungsfirma hĂ€tten Kollegen ihre schlechten Launen an ihm ausgelassen.

Als Motiv fĂŒr den Angriff auf die Taxifahrerin in Stuhr habe er Geldbedarf genannt. Die Messerstiche habe er mit den SĂ€tzen “Ich kann nicht beschreiben, was da lief. Habe sowas noch nicht erlebt.” kommentiert. Die Idee zum Raub sei ihm spontan gekommen, eine Tötungsabsicht habe es nicht gegeben. Er könne sich nicht erklĂ€ren, warum er nicht wie sonst seine Eltern nach Geld gefragt habe.

Den tödlichen Messerstich auf den Oldenburger Kollegen am Vortag habe er dagegen klar bestritten. “Warum sollte ich zu der Tat in Oldenburg nicht die Wahrheit sagen? Die in Stuhr habe ich ja auch gestanden.” Die gefundene Bekleidung gehöre nicht ihm, das Messer kenne er nicht.

Der Polizist erklĂ€rte auf Anfrage des Angeklagtenanwalts, der Angeklagte habe sich wĂ€hrend der Vernehmung stets höflich und korrekt verhalten, er sei nicht der â€œĂŒbliche StandardtĂ€ter”. Ob er Probleme mit der Aufarbeitung wahrgenommen habe, Versuche zu lĂŒgen? Zuerst sei der Angeklagte sehr offen gewesen, dann sei es aber zunehmend zu WidersprĂŒchen gekommen.

Mildernde UmstÀnde?

“Wieder ein Aspirant, der ‘mildernde UmstĂ€nde’ bekommt, weil er eine schlechte Kindheit hatte???” fragt Jule1205 in einem Leserkommentar zur NWZ-Berichterstattung. Zahlreiche Zeugenaussagen aus dem persönlichen Umfeld des Angeklagten vermittelten eher den Eindruck, er sei zu gut gebettet gewesen, um mit der rauhen  Wirklichkeit klar zu kommen. Probleme am Ausbildungsplatz nahm er offenbar ĂŒberzeichnet wahr, bei der anstehenden GesellenprĂŒfung drohte er zu scheitern. Nach einem lĂ€ngerfristigen Auf und Ab in der Beziehung zur Freundin trĂŒbte sich im Sommer auch das VerhĂ€ltnis zu den Eltern, als plötzlich Schmuck der Mutter fehlte. Die Rolle der Freundin konnte am Donnerstag noch nicht restlos geklĂ€rt werden. Als sicher gelten können hingegen Suizidgedanken des Angeklagten in den Wochen vor der Tat. Eine Schwester des Angeklagten hatte einen handschriftlichen Abschiedsbrief gefunden und ihn und seine Freundin damit konfrontiert. Auch auf dem PC des Angeklagten befand sich laut SachverstĂ€ndigem eine entsprechende Datei.

Der Jugendgerichtshelfer des Angeklagten und die psychiatrische Gutachterin sollen mit ihren Aussagen am Dienstag helfen, die Reife und die SchuldfĂ€higkeit des Angeklagten zu beurteilen. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht ihm nach Erwachsenenstrafrecht eine lebenslange Haftstrafe, nach Jugendstrafrecht muß er maximal fĂŒr zehn Jahre ins GefĂ€ngnis. Der Richter hatte zu Behandlungsbeginn deutlich auf beide Optionen hingewiesen und dem Angeklagten nahegelegt, reinen Tisch zu machen, falls er auch die Tat in Oldenburg begangen habe.

Noch ein VerdÀchtiger?

Nach ersten Beschreibungen von Zeugen war am Abend des Oldenburger Tattags zunĂ€chst ein DrogenabhĂ€ngiger in einer BehandlungsstĂ€tte in der Wesermarsch in Verdacht geraten. Angeklagtenanwalt Bibow hinterfragte in den letzten zwei Verhandlungstagen mehrfach dessen Alibi sowie die am Tatort gesicherten Spuren. Ermittlungen der Polizei ergaben allerdings, daß der Mann zur fraglichen Zeit auf dem Weg nach Elsfleth gewesen sein muß.

(jr)

Meldungen zum Thema
25.03.10 Urteil im Taximordprozeß
25.03.10 Aus dem Rahmen gefallen
23.03.10 Amoklauf auf Raten
20.03.10 Auf der Zielgeraden
16.03.10 Einmalig ...
11.03.10 “Ein ganz normaler Junge”
11.03.10 GedĂ€chtnistĂŒcken
11.03.10 “Rauchen Sie?”
09.03.10 “Kann sein, muß aber nicht”
27.02.10 Prozeßbeginn
06.10.09 Verdacht erhÀrtet
02.10.09 “Gewalt darf uns nicht stumm machen”
30.09.09 Untersuchungshaft
29.09.09 Gefaßt
28.09.09 Weitere Details
28.09.09 Schnelle Arbeit
26.09.09 Weiterer Überfall
26.09.09 TĂ€tersuche
25.09.09 Mord

Seitenanfang   •   Kontakt   •   Impressum   •   Datenschutz