23.03.10

Amoklauf auf Raten

Psychiatrische Gutachterin sieht Parallelen in der Grundstimmung des Angeklagten

Der wegen folgenreicher Messerattacken auf zwei Taxifahrer vor dem Oldenburger Landgericht angeklagte 20-jÀhrige Mann wird von der psychiatrischen Gutachterin als voll schuldfÀhig eingestuft. Sie habe keine psychische Erkrankung feststellen können, trug die Frau am Vormittag vor. Der Angeklagte sei aber eher einem Jugendlichen gleichzustellen als einem Erwachsenen.

Sie beschrieb den Angeklagten als relativ emotionsarm. Er habe kaum Erschrecken ĂŒber Tat in Stuhr gezeigt. Psychologische Tests hĂ€tten in Bezug auf Aggressionen leichte AuffĂ€lligkeiten ergeben.

In den Tagen vor den Taten sei der zuvor “gut behĂŒtete” Mann in eine starke Krise geraten. Sich schnell hĂ€ufende Probleme in den Beziehungen zur Freundin und zu den Eltern sowie Geldmangel trafen auf “mangelnde Kompetenz im Umgang mit Schwierigkeiten”.  In einer Mischung aus Verzweiflung und  Wut in Verbindung mit dem Versuch, HandlungsfĂ€higkeit zurĂŒckzugewinnen sah die Gutachterin Parallelen zu AmoklĂ€ufern. Auch die seien wie der Angeklagte eher aggressionsgehemmt. Die in der jĂŒngeren Zeit unvermeidliche Frage nach dem Spielen von Killerspielen verneinte sie jedoch. Der Angeklagte habe seine Zeit fast ausschließlich fĂŒr seine Arbeit und die Freundin aufgewendet.

Die NebenklĂ€geranwĂ€lte hinterfragten insbesondere die offenkundige Verweigerung des Angeklagten, sich mit der ersten und folgenschwereren Tat auseinanderzusetzen. “Er will die Geschehnisse vom Freitag nicht an sich ranlassen”, so die Gutachterin. In den GesprĂ€chen sei aufgefallen, daß er sich an die Attacke in Stuhr sehr prĂ€zise erinnere, zum Vortag befragt aber stets Ausweichverhalten gezeigt habe. Fragen habe er mit Gegenfragen beantwortet (“Sie wollen doch nicht, daß ich etwas zugebe, an das ich mich nicht erinnere?”), an den nachweislich falschen Zeitangaben halte er fast trotzig fest. Vielleicht folgere er aus der fehlenden Erinnerung, daß er mit der Tat nichts zu tun habe.

Der neben der Gutachterin ebenfalls vortragende Jugendgerichtshelfer des Angeklagten hatte die umfassenderen Schilderungen der Gutachterin schon zu Beginn des Verhandlungstages vorweggenommen. Der Angeklagte mache einen eher jugendlichen Eindruck. Wirtschaftlich und emotional sei er nicht von den Eltern unabhÀngig. Weil er deswegen noch an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehe, komme das Jugendstrafrecht in Betracht.

Am Donnerstag sollen die PlĂ€doyers der Staatsanwaltschaft, der beiden NebenklĂ€gervertreter und der Verteidigung gehalten werden. Der Richter kĂŒndigte zum Ende der heutigen Verhandlung an, anschließend beraten und am Nachmittag ein Urteil verkĂŒnden zu wollen.

(jr)

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